Konzept und Philosophie

Familien in der Krise – was tun?

Familien in der Krise – was tun?

Bisher gab es für dysfunktionale Familiensysteme in schweren Fällen nur wenige Handlungsoptionen, wenn eine ambulante Hilfe nicht ausreicht: Entnahme des Kindes / der Kinder oder die Überführung der Familie in eine stationäre Hilfe. In beiden Fällen kann dieser Eingriff zu einer besonderen, häufig eskalierten innerfamiliären Krisendynamik führen, nicht selten begleitet von starken und divergierenden Emotionen und Verhaltensweisen der Familienmitglieder. Beide Optionen stellen einen sehr hohen Kostenaufwand für die Jugendämter dar, von der emotionalen Belastung der Beteiligten ganz zu schweigen. Es gibt aber eine bisher noch zu wenig beachtete Alternative, die in einer Vielzahl von Situationen anwendbar eine hohe Erfolgsquote aufweist und zudem deutlich günstiger angeboten werden kann. Diese Alternative verstärkt die Vorteile bisher angewendeter Maßnahmen und erhöht den Grad von Autonomie und Selbstbestimmung der Familien (Empowerment).

Systemisch-sozialpädagogisch begleitetes Wohnen

Das Familienprojekt Coswig / Anhalt verzichtet bewusst auf stationäre Unterbringung und bietet doch weit mehr als eine ambulante Hilfe. Und das funktioniert so:

  • Die Familien leben in vom Familienprojekt angemieteten Wohnungen,
  • in den Wohnungen gibt es jeweils ein Büro für die Fachkräfte,
  • die Fachkräfte haben Zugang unter Wahrung der Privatsphäre,
  • eine Krisenintervention ist durch Rufbereitschaft jederzeit möglich,
  • tägliche Ansprechbarkeit, Kontrolle der vereinbarten Abläufe sowie wöchentliche Auswertungsgespräche geben Struktur,
  • Überzeugung im Dialog ersetzt Bevormundung durch etablieren einer offenen und wertschätzenden Kommunikation.

Der Verzicht auf stationäre Unterbringung hat entscheidende Vorteile für die Familien, die für eine Teilnahme infrage kommen. So erfolgt der Übergang vom Leben ohne oder mit ambulanter Hilfe in die intensive Betreuung des Familienprojekts sanft, es entfällt der empfundene Makel einer Unterbringung in einer ‚Einrichtung‘, an einem Ort mit möglicherweise als negativ wahrgenommener Adresse. Die neue Situation ist weniger fremd, der Druck auf das Familiensystem deutlich geringer. Langjährige Erfahrungen der Geschäftsleitung zeigen, dass auf dieser Basis Hilfe deutlich besser angenommen und die daraus resultierenden Erkenntnisse nachhaltiger in die täglichen Abläufe integriert werden können. Die Chancen zur dauerhaften Erhaltung des Familiensystems steigen deutlich.

Dieses Konzept einer systemisch aufgebauten sozialpädagogischen Rundum-Betreuung kann in nahezu allen Fällen eine Herausnahme von Kindern aus ihren Familien dauerhaft verhindern. Ist es im Vorfeld aber zu einer Herausnahme gekommen, ist eine Rückführung mit den Fachkräften des Jugendprojekts und den Mitarbeitern des Jugendamts zu prüfen. Eltern bekommen im Familienprojekt alle erdenklichen Hilfen, ihre Ressourcen für eine mögliche Rückführung zu aktivieren.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Familienprojekts Coswig / Anhalt ist das besondere Kursangebot, das je nach Bedarfslage innerhalb der Familie oder im Seminarraum der Geschäftsstelle angeboten werden kann – und das im Betreuungsumfang bereits enthalten ist. Es umfasst Seminare zur sicheren Internet- und Computernutzung (Kinderschutz), zu Bewerbungen, zur Computernutzung, zu Text- und anderen Programmen sowie ein familientherapeutisches Setting und weitere systemische Beratungsangebote.

Start in ein neues gemeinsames Leben

Wir beschreiben die Zeit von der Entscheidung für eine Teilnahme im Familienprojekt Coswig / Anhalt bis zur Verselbständigung anschaulich als Reise in mehreren Etappen, an deren Ziel das Ankommen in einer neuen Lebensphase des Miteinanders steht. Und wie bei jeder Reise steht auch hier die Planung an erster Stelle sowie das Festlegen der notwendigen Hilfsformen auf Grundlage unseres Gesamtpakets:

  • Etablierung eines vertrauensvollen Arbeitsbündnisses,
  • tägliche Auswertung der aktuellen Situation am neuen Wohnort,
  • Erkundung des neuen Sozialraums mit Unterstützung des Familienprojekts,
  • bei Bedarf individuelle Unterstützung bei der Umsetzung von administrativen Angelegenheiten,
  • bei Bedarf individuell angepasstes Coaching und Schulung der Familien durch Fachkräfte des Projekts sowie
  • der systemisch-sozialpädagogischen Entwicklung und Förderung des Familiensystems mit dem Ziel der Verselbständigung.

Parallel lernt die Familie bei einem Erstkontakt Fachkräfte sowie Einrichtung kennen. Dabei werden noch einmal die wichtigsten Vorteile einer Teilnahme ausführlich dargelegt:

  • Das Familiensystem bleibt intakt,
  • die Betreuung erfolgt in einer gewohnten Lebenssituation,
  • die Bedarfslagen aller Familienmitglieder werden wahrgenommen und berücksichtigt,
  • Interventionen in Krisensituationen dank Rufbereitschaft sowie
  • ein entspannter örtlicher Wohnungsmarkt, der den Verbleib nach Ende der Hilfe im nun gewohnten Sozialraum sichert.

Wichtig ist vorab eine Motivationsabklärung. Das beste Angebot ist nur so gut wie Motivation und Kooperationsbereitschaft der betreuten Familien. Drei Voraussetzungen sollten erfüllt sein: die Bereitschaft

  • das bisherige soziale Umfeld zu verlassen,
  • aktiv mit den Fachkräften zusammenzuarbeiten und
  • den Träger und dessen notwendiges Regelwerk zu akzeptieren.

Regelwerk und Ausschlusskriterien

Das Regelwerk wird den Familien in Form eines Leitfadens überreicht, der von den Beteiligten unterschrieben werden muss. Darin werden die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit und Zusammenleben festgelegt, die für eine erfolgreiche Teilnahme unverzichtbar sind:

  • Die Fachkräfte haben zu jeder Zeit Zugang zu den Wohnungen unter Wahrung der Privatsphäre, in denen sich jeweils ein abgeschlossenes Büro des Familienprojekts befindet,
  • an den regelmäßigen Gesprächen nimmt die gesamte Familie teil,
  • alle gemeinsam beschlossenen Maßnahmen werden umgesetzt,
  • das Fachpersonal wird von der Schweigepflicht im Rahmen der Betreuung (Kita, Schule, Arztbesuche etc.) entbunden,
  • im Konfliktfall werden die Fachkräfte hinzugezogen.
  • Sollte ein Elternteil gewalttätig werden, wird ein Schutzplan mit den Klienten bis zur abschließenden Klärung des Sachverhalts besprochen, es kann zum Ausschluss führen.

Im Falle einer Abhängigkeitserkrankung werden besondere Regeln gemeinsam erarbeitet. Wiederholte Verstöße können zum Ausschluss führen. Haustiere können bei Genehmigung durch die Hausverwaltung nach Absprache gehalten werden.

Um eine möglichst hohe Erfolgswahrscheinlichkeit zu erreichen, gibt es aber auch Ausschlusskriterien, die eine Teilnahme am Familienprojekt unmöglich machen:

  • akute Suizidgefahr,
  • Suchtmittelgebrauch bei bestehender Abhängigkeitserkrankung,
  • Pflegebedürftigkeit ohne Absicherung durch einen ambulanten Pflegedienst,
  • politischer Extremismus eines Familienmitgliedes,
  • akute Gewaltbereitschaft.

Warum ausgerechnet Coswig?

Die Stadt Coswig bietet mit ihren ca. 8.000 Einwohnern das typische Kleinstadtflair. Die wichtigsten Einrichtungen wie Geschäfte, Supermärkte, Schulen, Kindertagesstätten und das Ärztehaus sind in ca. 15 Minuten zu Fuß erreichbar. Die Geschäftsstelle des Familienprojekts liegt zentral und verkehrsgünstig mit nahe gelegener Haltestelle im Zentrum von Coswig fußläufig in der Nähe des Rathauses.

Durch den Bahnanschluss an die Bahnstrecke Wittenberg-Dessau und verschiedene Busstrecken ist auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln Mobilität gewährleistet. Die Fahrzeit nach Berlin beträgt etwa eine Stunde.

Die Bundesautobahn A9 ist in wenigen Minuten erreichbar. Dadurch ist eine gute Anbindung an die Städte Berlin, Dessau, Halle und Leipzig garantiert. Die wichtigsten Entfernungen (jeweils bis zum Hbf.):

  • Wittenberg 16 km
  • Dessau 23 km
  • Halle 67 km
  • Magdeburg 73 km
  • Leipzig 84 km
  • Berlin 109 km

Aber das ist nicht alles. Coswig bietet mit Fähre, Elb-Promenade und Grünflächen einen hohen Freizeitwert. Darüber hinaus ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt sehr entspannt. Das ermöglicht es Familien nach Ende der Betreuung in ihrem inzwischen gewohnten Umfeld eine angemessene Wohnung vergleichsweise günstig anmieten können: Willkommen in der neuen Heimat. Ermöglichen soll dies das Leistungsangebot des Familienprojekts Coswig / Anhalt.

Das Leistungskonzept in der Umsetzung

Für die Dauer der Betreuung zieht jede Familie in eine eigene Wohnung. Diese Wohnungen werden durch die Familien vom Träger angemietet und durch ALG II finanziert.

Jede Wohnung verfügt in der Regel über Wohn- und Schlafzimmer, Bad und Kinderzimmer. Zusätzlich gibt es in jeder Wohnung ein Büro für das jeweilige Team der Fachkräfte. In diesem Büro finden zum Beispiel die Familiengespräche und auch die Einzelförderungen für die Kinder statt. Formalitäten wie Schriftverkehr und Telefonate werden von den Mitarbeitern ebenfalls dort erledigt. Die Fachkräfte haben mit eigenem Schlüssel jederzeit Zugang zu den Wohnungen, was die direkte Arbeit vor Ort sichert und Interventionen im Krisenfall (24/7) ermöglicht.

Jedes Team arbeitet in pädagogischer Selbstverantwortung mit einer kollegialen Beratung durch die Leitung der Einrichtung. Es ist beteiligt an Konzept- und Qualitätsentwicklung.

Das Familienprojekt nutzt für seine Arbeit mit Kindern und Eltern die reichhaltigen Angebote der Stadt Coswig wie Vereine mit Theater-, Musik- und Tanzgruppen sowie die Sportvereine der Stadt wie z.B. Angel-, Fußball-, Handball- und Kanuverein. Leicht erreichbar sind Flämingbad und Sporthalle.

Gemeinsame Familienausflüge wie Zoobesuche, Gondelfahrten im Wörlitzer Park, Ausflüge zur Lutherstadt Wittenberg und Museumsbesuche etc. stärken die sozialen Interaktionen zwischen den Familien und den Fachkräften und unterstützen so die Zusammenarbeit.

Die Fachkräfte unterstützen die Eltern in allen Konfliktsituationen, auch in Kitas und Bildungseinrichtungen (Bummelei, Schwänzen, Fehlverhalten der Kinder u.ä.) und bei klärenden Gesprächen mit den Fachkräften des Kooperationspartner. Gemeinsam werden dann Maßnahmen zur Verbesserung der Situation erarbeitet. Das Familienprojekt sieht sich als aktive Begleiter:in, als stabiles Vorbild und als geschätzte Berater:in und leistet Hilfe zur Selbsthilfe.

Die umliegenden Kitas und Bildungseinrichtungen werden als Kooperationspartner betrachtet mit der Zielsetzung, auf besondere Bedürfnislagen der Klienten aufmerksam zu machen. Den größten Anteil am Gelingen dieser Aufgaben sollen perspektivisch die Eltern leisten.

Ein weiterer Schwerpunkt in der täglichen Arbeit ist die Gesundheitsvorsorge. So organisieren die Eltern für sich und die Kinder Termine bei Ärzten und werden auf Wunsch hierbei durch die Fachkräfte des Familienprojekts unterstützt und auf Wunsch zu Terminen begleitet.

Als eines der grundlegenden Probleme der zu betreuenden Familien ist die Bearbeitung der finanziellen Ressourcen. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Zielgruppe sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet. Hierbei gilt es, durch Beratungen realistische Lösungsweg zu finden. Als Interventionen sind folgende Schritte vorgesehen:

  • Finanzplanung,
  • Aufstellen eines Haushaltsplans,
  • Schuldnerberatung,
  • Reflexion des Konsumverhaltens.

Um ein paar Eindrücke von Coswig, unserer Geschäftsstelle und einer durchaus realistischen Wohnsituation – in diesem Fall durch Symbolbilder veranschaulicht – zu gewähren, haben wir für Sie den folgenden kleinen Bilderbogen geschaffen.

Ein kleiner Ausflug vom umfangreichen Text…

Bilderbogen

So könnte eine Wohnanlage und eine Wohnung aussehen, in der Familien untergebracht werden. Es handelt sich um Symbolbilder, die aber eine regional typische Wohnsituation widerspiegelt. Das Büro des Fachpersonals ist in der Mitte oben eingerichtet (Grundriss-Symbol).

Leben und Wohnen in Coswig / Anhalt

Geschäftsstelle des Familienprojekts

Seminarraum der Geschäftsstelle

Schloßstraße in Coswig / Anhalt

Bis hierher wurde viel geschrieben zu Ortswahl, Umfang der Hilfen, Bedingungen und Ausschlüssen. Aber erst jetzt können wir davon ausgehen, dass alle Beteiligten wissen, worum es geht, worauf sie sich einlassen. Das ist uns wichtig.

Gehen wir nun davon aus, dass Familie A. aus B. bereit ist, zu uns nach C. zu kommen. Mietvertrag, Hausordnung und Regelwerk sind unterzeichnet. Wie geht es weiter?

Koffer packen

Die kommende Etappe nennen wir ‚Koffer packen‘. Die Vorbereitung für jede Reise ist umfangreich. Dazu gehört auch, dass eine Fachkraft nach Möglichkeit die Familie in ihrer aktuellen Wohnsituation besucht, um das Team auf die Familie vorzubereiten. Das erspart Reibungsverluste in der Eingewöhnungszeit.

Vor der Abreise müssen aber noch einige sehr wichtige Dinge erledigt werden: Abmeldungen und Anmeldungen zum Beispiel. Das trifft für den Wohnort genauso zu wie für Kita und Schule. Das soll einen nahtlosen Übergang vom ‚alten‘ Leben in ein neues Leben ermöglichen, was besonders für die beteiligten Kinder wichtig ist.

Zum ‚Koffer packen‘ gehört auch Organisation und Durchführung des Umzugs dazu. Was passt in die neue Wohnung? Was fehlt? Was muss, was kann und was sollte besser nicht mit? Welche Schritte müssen noch zur Abnahme der alten Wohnung durch die Eigentümer erledigt werden? Wie die Kinder behutsam durch diese Prozesse führen? Wer kann dabei helfen?

Bereits in dieser Phase versuchen die Fachkräfte, die teilnehmenden Familien zu unterstützen. Einerseits, um sich kennenzulernen, andererseits, um Vertrauen aufzubauen. Das erleichtert auch den Start in die Betreuung und hilft den Familien, loszulassen. Dieses Loslassen ist der entscheidende Impuls zur Annahme der Hilfe.

Ankommen und Auspacken

Die nächste Etappe bezeichnen wir als ‚Ankommen und Auspacken‘. Das ist auch wörtlich gemeint. Sich einrichten. Den eigenen Platz finden. Gewohntes im Neuen einrichten. Die Behausung zum Heim machen. Umgebungen erkunden. Ankommen und Anmelden.

Eine Zeit der täglichen Abenteuer und Herausforderungen. Sehr viele Aktivitäten, das ist fordernd, mildert aber oft auch Ängste vor einer unbekannten Zukunft.

Hier ist die breit angelegte Unterstützung durch das Familienprojekt besonders intensiv. Der Wert dieser Hilfe muss fühlbar werden. Für die ersten kritischen Situationen und Konflikte gilt es, gemeinsame Lösungen zu finden. Ein besonderes Augenmerk wird in diesem Prozess auf die einfühlsame Mitnahme der Kinder gelenkt.

Abenteuer Alltag – Die Kur

Ist diese Etappe erfolgreich absolviert, beginnt das Abenteuer Alltag in der Betreuung durch das Familienprojekt: die Kur. Diese Metapher trifft die Zeit der eigentlichen Betreuung unserer Meinung nach am besten. Tägliche Anwendungen, Visiten durch die Fachkräfte, eine Diät unter Verzicht auf alte Angewohnheiten, das Schmackhaft machen eines neuen Verhaltens, Übungen, Training, Fortschritte und Rückfälle, Krisen und deren Bewältigung, Rezepte und immer wieder neue Anwendungen. Auf eine gute Besserung.

Wie bei einer Kur richtet sich auch die Dauer der Hilfen nach deren Fortschritten. Der Hilfeverlauf wird durch die Fachkräfte genau dokumentiert und in Form von Berichten nach Absprache mit den jeweils zuständigen Jugendämtern ausgewertet. Je nach Bedarfslage sind nach Vereinbarung auch Besprechungen im digitalen Raum möglich.

Im Rahmen der Betreuung werden für jede Aufgabe Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der einzelnen Familienmitglieder und der Fachkräfte festgelegt, um belastbare Strukturen zu schaffen. Dieses Gerüst gibt den Familien eine Orientierungshilfe und den Fachkräften ein Raster zur Auswertung der erzielten Ergebnisse. Auf Grundlage der Evaluierung können diese Strukturen flexibel den sich ändernden Bedürfnislagen unter Einbeziehung von Erfolgen und Misserfolgen angepasst werden: Das System ist flexibel und lässt sich zu jeder Zeit für jedes Familienmitglied nachjustieren.

Um diese Flexibilität zu erreichen, wird täglich die Umsetzung von Tages- und Wochenplanung überprüft. Diese Pläne werden jeweils mit den Familien gemeinsam aufgestellt. Deren Einhaltung ist wichtig: ein strukturierter und verlässlicher Ablauf erleichtert den Alltag, minimiert Spannungen und schafft den Rahmen, im Laufe der Zeit eine belastbare Lebensplanung zu entwickeln. Um bei unserer Metapher zu bleiben: Disziplin und Verlässlichkeit sind Voraussetzung für eine Gesundung.

Hierzu finden regelmäßige gemeinsame Auswertungsgespräche mit der gesamten Familie statt. Die Gesprächsthemen reichen von akuten Kriseninterventionen über pädagogische und therapeutische Beratung, Entwicklungsförderung der Kinder, der Finanz- und Wochenplanung. Durch die tägliche Anwesenheit im integrierten Büro sind die Fachkräfte für alle Fragen des täglichen Lebens offen und zu jeder Zeit ansprechbar.

Darüber hinaus gibt es bei Bedarf praktische, organisatorische und flankierende Unterstützung der Familien bei den anfallenden Aufgaben bezüglich der Wohnraumsuche, des Umzuges und den damit verbundenen Formalitäten durch die Fachkräfte des Familienprojekts.

Erfahrungsgemäß entwickeln die Familien emotionale Unsicherheiten, die durch die intensive Betreuung des Co-Teams aufgefangen und begleitet werden. Aus dieser Dynamik heraus entsteht ein Spannungsbogen, welcher erneut ein gutes Übungsfeld für die Familie bietet. Durch Anwendung der erlernten Problemlösungen kann der entstehende Spannungsbogen kompensiert werden. In der Regel bedarf es noch fachlicher Beratung und gelegentliche Unterstützung.

Das Ziel der Reise ist erreicht. Nach erfolgreicher Kur werden die Teilnehmer:innen in das neue Leben ‚entlassen‘, die Verselbständigung gilt als abgeschlossen. Noch einmal wird das Quartier gewechselt, was diesmal leichter fällt, wird hier doch der Start in ein neues Leben endgültig vollzogen. Auch hierbei wird Familie A. in C. vom Familienprojekt tatkräftig unterstützt.

Um den Wechsel in die neue Umgebung zu erleichtern, gibt es eine Nachbetreuung. Sie dient der Stabilisierung und der Orientierung im neuen Wohnumfeld. Über einen Zeitraum von 3-6 Monaten unterstützt eine vertraute Fachkraft mit verringerter Stundenzahl die Familie bei ihrem Neuanfang, sofern örtlich erreichbar. Die nun zu bearbeitenden Themen sind zum Beispiel:

  • diverse An-, Ab- und Ummeldungen,
  • sozialraumorientierte Überleitung der Familie sowie
  • Erziehungsberatung.

Nachbetreuung

In der Nachbetreuung können weiterführende Hilfen empfohlen werden. Viel Glück, Familie B. in C.!

All dies ist ohne Organisation, Verwaltung und Dienste nicht möglich. Das wiederum kostet Geld. Hier darf nichts am Bedarf vorbei geplant und umgesetzt werden. Das wiederum regelt der Hilfeanspruch. Auf diese Themen wird im folgenden eingegangen.

Im Anhang schließlich erfolgt zum Nachschlagen die Auflistung von Zielsetzungen nach der jeweils gültigen Gesetzeslage. Folgen Sie uns…

Struktur des Familienprojekts Coswig / Anhalt

Leitung

Die Geschäftsführung der Gesamteinrichtung sichert den fachlichen Rahmen. Das Leitungsteam übernimmt die fachliche Koordinierung der Mitarbeiter:innen.

Die Koordinierung der Inhalte sowie die methodisch-didaktische Planung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt durch die pädagogischen Fachkräfte. Das Leitungsteam steht zur Krisenintervention stets (24/7) zur Verfügung und ist mobil erreichbar. Die Geschäftsführung übernimmt die Verhandlungen mit dem zuständigen Jugendamt sowie die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und ist grundsätzlich beteiligt an den Hilfeplangesprächen.

Verwaltung

Die anfallenden Verwaltungsarbeiten aus dem Betreuungsalltag wie die Dokumentation der Hilfe werden von den pädagogischen Fachkräften übernommen. Sie erhalten dabei Unterstützung, Beratung und Entlastung durch die Geschäftsstelle.

Alle Verwaltungsaufgaben wie Haushalts- und Finanzplanung, die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Familienprojekts, Buchhaltung sowie die Personalverwaltung mit Gehaltsbuchungen, die Jahresabschlüsse und Leistungsabrechnungen werden jeweils von der Geschäftsstelle selbst durchgeführt. Der Schriftverkehr erfolgt über die Geschäftsstelle.

Technischer Dienst

Reine Fahrdienste werden von pädagogisch nicht qualifiziertem Personal übernommen, bei darüber hinaus gehendem pädagogischem Bedarf auch von den pädagogischen Fachkräften (Abrechnung erfolgt über Fachleistungsstunden nach Absprache mit dem ASD oder nach Festlegung in der Hilfeplanung).

Personenbeförderung

Für Gruppenfahrten werden Transportmittel zur Verfügung gestellt.

Kosten der Familienbetreuung

Personalkosten richten sich nach dem Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD.)

Personalschlüssel

  • Geschäftsführer/in,
  • Pädagogische Leitung sowie
  • Sozialpädagogen bzw. Fachkräfte gleichwertiger Qualifikation je nach Bedarf.

Die Mitarbeiter:innen haben flexible Teilzeit- oder Vollzeitstellen. Der jeweilige Stellenanteil beträgt mindestens 1/2 Stelle. Schwankendes Arbeitsaufkommen wird über einen Personalschlüssel oder über eine vorübergehende Anhebung des Stellenanteils unter Absprache und mit Zustimmung des Arbeitnehmers ausgeglichen.

Alle Mitarbeiter:innen nehmen an regelmäßigen Fortbildungen teil und verfügen über einen Führerschein, um Familien flexibel begleiten zu können.

Finanzierung

Die sozialpädagogische Betreuung der gesamten Familie wird über einen individuellen Kostensatz berechnet, der sich aus den notwendigen Fachleistungsstunden ergibt. In der Regel handelt es sich pro Kind und Woche um 16 Stunden, die durch das Jugendamt finanziert werden. Bei einem Einzelkind werden 20 Fachleistungsstunden pro Woche berechnet.

Sollte eine Maßnahme mit erhöhtem Bedarf erforderlich sein, so würde die Stundenzahl erweitert werden.

In jeder Familie sind mindestens zwei Fachkräfte tätig.

Eventuell erforderliche Leistungen wie Hilfe zum Lebensunterhalt für die Familie erfolgen nach den Bestimmungen des Sozialhilferechts bzw. unterliegen der Zuständigkeit des Jobcenters oder des Arbeitsamts. Die Umzugs- und Renovierungskosten sowie Kautionszahlungen müssen von der Familie übernommen oder beantragt werden.

Wichtig: Die Familie zahlt lediglich für die von ihr genutzten Wohnfläche, das in der Wohnung integrierte Büro Familienhilfe wird aus den Mietkosten herausgerechnet!

Hilfeanspruch und Zielgruppen

  • Familien, bei denen bei weiterem Verbleib der Kinder zu derzeitigen Bedingungen von einer akuten oder latenten Kindeswohlgefährdung ausgegangen werden muss, aber bei denen die emotionale Bindung der Kinder zu ihren Eltern als förderlich erlebt wird,
  • Familien mit Kleinkindern, die gezielte Unterstützung (Anleitung und Beratung) bei der Erziehung und Förderung ihrer Kinder benötigen,
  • Familien, für die ein individuelles, bedarfsorientiertes, flexibles Setting geschaffen werden muss, weil vorausgegangene Hilfen nicht gegriffen haben oder nicht ausreichend waren,
  • Familien mit Kindern, die Entwicklungsschwierigkeiten und Verhaltensprobleme im sozialen, emotionalen und schulischen Bereich haben,
  • Kinderreiche Familien, die Entlastung und Unterstützung im Alltag benötigen,
  • Familien mit komplexen, chronischen generationenübergreifenden Belastungen, die in der Regel zu Fremdunterbringung der Kinder führen würden oder schon geführt haben
    (Multiproblem-Familien),
  • Familien oder alleinerziehende Elternteile, gegebenenfalls mit neuem Lebenspartner mit mehreren Kindern, die einen
    besonders hohen sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf haben und in ihrer derzeitigen Situation alleine überfordert sind. Oft leben diese Familien zudem unter ungünstigen
    sozialen Bedingungen, welche die Lebensumstände der Familie zusätzlich erschweren (geringes Familieneinkommen, Arbeitslosigkeit, Schulden, unzureichende Wohnsituationen),
  • Eltern, die sich in ihrer momentanen Situation gefangen fühlen, Angst vor notwendigen Veränderungen haben, nicht mehr weiterwissen und ohne fremde Hilfe keinen Ausweg finden,
  • Familien, die diesen Situationen und den Anforderungen des alltäglichen Lebens nicht gewachsen sind und die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht erkennen und erfüllen können.

Anhang

Um die Philosophie des Familienprojekts Coswig / Anhalt deutlich zu machen, wurde sie im vorangegangenen Text ausführlich beschrieben. In manchen Fällen ist es aber wichtig, präzise definierte Ziele des Leistungsangebots im Kontext der unterschiedlichen Anforderungen nach Gesetzeslage nachlesen zu können. Im Folgenden Anhang haben wir genau das für Sie getan:

§ 30 SGB VIII

  • Bewältigung von Entwicklungsproblemen unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes,
    • Abbau von Defiziten im Bereich sozialer und emotionaler Entwicklung,
    • Entwicklung einer tragfähigen Lern- und Leistungsmotivation
    • Aufbau/Wiederherstellen tragfähiger sozialer Kontakte,
  • Aktivierung der Ressourcen und der Unterstützung durch das soziale Umfeld,
    • Verselbständigung unter Einhaltung des Lebensbezugs zur Familie,
    • Entwicklung einer Lebensperspektive auf Basis eigener Ziele und Fähigkeiten,
    • Entwicklung / Befähigung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit,
    • Erlangen von Kontakt-, Beziehungs-, Gruppen- und Konfliktfähigkeit,
    • Alltag und Tagesablauf planen, Strukturieren und umsetzen können,
    • Befähigung zum verantwortlichen Umgang mit vorhandenen Finanzen,
    • Herstellen / Wiederherstellen von tragfähigen  Familienbeziehungen,
  • Aufarbeiten von delinquentem Verhalten,
  • angemessenes Leistungsverhalten in Schule, Ausbildung und im Arbeitsprozess.

§ 27 i. V. mit § 31 SGB VIII

  • Betreuung und Begleitung von Familien bei Erziehungsaufgaben,
    • Bewältigung von Alltagsproblemen,
    • Lösung von Konflikten und Krisen,
    • Kontakten mit Ämtern und Institutionen,
  • Hilfe zur Selbsthilfe,
  • Sicherung oder Wiederherstellung der Erziehungsfunktion der Familien durch
    • Verbesserung des Erziehungsverhaltens,
    • Verbesserung der Interaktion und Kommunikation der Familienmitglieder,
    • Verbesserung der Rahmenbedingungen in der und um die Familie,
  • Aktivierung der Selbsthilfefähigkeit der Familie und der  Stärkung der Problemlösungskräfte und der eigenen Ressourcen in der Familie,

Zielsetzungen gemäß SGB VIII

  • Mittel- und langfristig hohe Unterbringungskosten für Jugendämter in den Fällen zu reduzieren, in denen ohne dieses Modell eine Herausnahme der Kinder unvermeidbar oder eine Rückführung nicht möglich ist,
  • Die Grenzen der ambulanten und stationären Hilfen sowie die der Heimerziehung zu überwinden und diese Hilfe familienorientiert und familien-erhaltend auszurichten,
  • Aufbauend auf den Ressourcen der Familien und die Beziehungen innerhalb der Familie nutzend eine Struktur zu schaffen, in der die Kinder in der Familie verbleiben können, um eine häufig traumatisierende Trennung von Kindern und Eltern zu vermeiden,
  • Kinder, die bereits in einer Einrichtung untergebracht sind, in den Haushalt der Eltern zurückzuführen, wenn dies ohne fremde Hilfe nicht möglich ist,
  • Der Entstehung einer möglichen Entfremdung zwischen Eltern und Kindern entgegen zu wirken,
  • Unterstützung der Eltern in ihrem Bemühen um mehr Eigenverantwortung und aktive positive Lebensgestaltung,
  • Das Interesse der Eltern an den Belangen ihrer Kinder zu wecken, deren Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen, und damit nachhaltig die Beziehung zu stärken,
  • Die Bedingungen der Kinder in der Familie so weit zu verbessern, dass die Eltern ihre Erziehungsaufgaben wieder eigenständig wahrnehmen und ihren Lebensalltag verantwortungsvoll gestalten können,
  • Durch gemeinsam erarbeitete Strukturen familiäre Ressourcen zu stärken und durch gemeinsames Handeln und Erleben verlorengegangene, -geglaubte oder weitere Kompetenzen zu erarbeiten und zu vermitteln,
  • Die Ziele und Unterziele gem. SGB VIII bilden die Grundlage für die Ausgestaltung der sozialpädagogischen Arbeit. Sie werden für jede Familie, jedes Kind und jeden Jugendlichen im Hilfeplan individuell ausgewählt und konkretisiert. Dabei werden jeweils die nächsten Schritte in Richtung der Ziele für den Zeitraum benannt, der im Hilfeplan festgelegt ist.